Passer, Passer

Haussperling (Passer domesticus), J.M. Garg, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Versuche mal, sie zu entwirren,
die Knäuel brauner Spatzen, die dahergeweht
im Dutzend (dreckig) durcheinander flirrend (flügge Spatzen
hintendrein), schrill pfeifen ‚gib-mir-mehr-davon‘, egal ob sie sich füttern
oder vögeln lassen und zum Glück sind es nur Spatzen (keine weißen Albatrosse),
die Aphrodites Wagen ziehen, nach Belfast, Brüssel, Brünn, Berlin, überall,
ein spitzer Spatz, dem kein Schoss verschlossen bleibt, so klein,
so unscheinbar, so unschlagbar in Liebesdingen.

             Ende erster Spatzen-Satz.

 

Der lange Atem ist jetzt aus,
jetzt kommen
nur mehr kurze Sätze (zur Unersättlichkeit
von Spatzen). Eine Brut ist nie genug. Ein Nest hat immer viele
Väter. Verwirrung,
die ist Teil des Plans, aber sonst, kein Plan. Was soll ich
sagen? Spatzenhirne. Seit jeher streiten Philologen über Spatzen (bei Catull), während sie es wahlweise
in deiner Hand, oder von den Dächern pfeifen: Passer, Passer!
            
Und sonst so? Kein Plan.

Passer, Passer, 2022            

foto: Raub der Proserpina (Detail), Gian Lorenzo Bernini, 1621/22, Galleria Borghese, Rom, CC SA-BY 4.0, via Wikimedia Commons

Der Text bezieht sich auf ein Passer-Gedicht von Catull (Carmen 2), das man z.B. hier nachlesen kann (in einer Übersetzung von Raoul Schrott, inklusive Fragment 2b) oder hier (inklusive Gelehrtenstreit bez. der sexuellen Metaphorik). Catull hat sein Gedicht nach dem Gesetz der wachsenden Glieder gebaut; alle zehn Verse bestehen aus einem einzigen Satz, wobei jeder nachfolgende Satzteil ein wenig länger ist als der vorangegangene. Alles für den Spatz. Verbeugung.

Die Vorstellung, dass Aphrodites Wagen von Spatzen gezogen wird, geht auf Sapphos Ode an Aphrodite zurück.

2002 war der „über die Maßen unkeusche“ Haussperling Vogel des Jahres. Obwohl der Sperling (Passer domesticus) mit einer Kuckuckskind-Quote von max. 18 Prozent (Vgl. Lundy Island Studie) fast schon als treu bezeichnet werden kann (Tannenmeisen bringen es auf 70 Prozent), sind uns Spatzen (als Kulturfolger) viel vertrauter. Inzwischen sind die Bestände weltweit rückläufig.

Haussperling (Passer domesticus), J.M. Garg, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Versuche mal, sie zu entwirren,
die Knäuel brauner Spatzen, die dahergeweht
im Dutzend (dreckig) durcheinander flirrend (flügge Spatzen
hintendrein), schrill pfeifen ‚gib-mir-mehr-davon‘, egal ob sie sich füttern
oder vögeln lassen und zum Glück sind es nur Spatzen (keine weißen Albatrosse),
die Aphrodites Wagen ziehen, nach Belfast, Brüssel, Brünn, Berlin, überall,
ein spitzer Spatz, dem kein Schoss verschlossen bleibt, so klein,
so unscheinbar, so unschlagbar in Liebesdingen.

             Ende erster Spatzen-Satz.

 

Der lange Atem ist jetzt aus,
jetzt kommen
nur mehr kurze Sätze (zur Unersättlichkeit
von Spatzen). Eine Brut ist nie genug. Ein Nest hat immer viele
Väter. Verwirrung,
die ist Teil des Plans, aber sonst, kein Plan. Was soll ich
sagen? Spatzenhirne. Seit jeher streiten Philologen über Spatzen (bei Catull), während sie es wahlweise
in deiner Hand, oder von den Dächern pfeifen: Passer, Passer!
            
Und sonst so? Kein Plan.

Passer, Passer, 2022            

foto: Raub der Proserpina (Detail), Gian Lorenzo Bernini, 1621/22, Galleria Borghese, Rom, CC SA-BY 4.0, via Wikimedia Commons

Der Text bezieht sich auf ein Passer-Gedicht von Catull (Carmen 2), das man z.B. hier nachlesen kann (in einer Übersetzung von Raoul Schrott, inklusive Fragment 2b) oder hier (inklusive Gelehrtenstreit bez. der sexuellen Metaphorik). Catull hat sein Gedicht nach dem Gesetz der wachsenden Glieder gebaut; alle zehn Verse bestehen aus einem einzigen Satz, wobei jeder nachfolgende Satzteil ein wenig länger ist als der vorangegangene. Alles für den Spatz. Verbeugung.

Die Vorstellung, dass Aphrodites Wagen von Spatzen gezogen wird, geht auf Sapphos Ode an Aphrodite zurück.

2002 war der „über die Maßen unkeusche“ Haussperling Vogel des Jahres. Obwohl der Sperling (Passer domesticus) mit einer Kuckuckskind-Quote von max. 18 Prozent (Vgl. Lundy Island Studie) fast schon als treu bezeichnet werden kann (Tannenmeisen bringen es auf 70 Prozent), sind uns Spatzen (als Kulturfolger) viel vertrauter. Inzwischen sind die Bestände weltweit rückläufig.

Haussperling (Passer domesticus), J.M. Garg, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Versuche mal, sie zu entwirren,
die Knäuel brauner Spatzen, die dahergewehtim Dutzend (dreckig) durcheinander flirrend (flügge Spatzen hintendrein), schrill pfeifen ‚gib-mir-mehr-davon‘, egal ob sie sich füttern oder vögeln lassen und zum Glück sind es nur Spatzen (keine weißen Albatrosse), die Aphrodites Wagen ziehen, nach Belfast, Brüssel, Brünn, Berlin, überall, ein spitzer Spatz, dem kein Schoss verschlossen bleibt, so klein, so unscheinbar, so unschlagbar in Liebesdingen.
Ende erster Spatzen-Satz.

 

Der lange Atem ist jetzt aus, jetzt kommen nur mehr kurze Sätze (zur Unersättlichkeit von Spatzen). Eine Brut ist nie genug. Ein Nest hat immer viele Väter. Verwirrung, die ist Teil des Plans, aber sonst, kein Plan. Was soll ich sagen? Spatzenhirne. Seit jeher streiten Philologen über Spatzen (bei Catull), während sie es wahlweise in deiner Hand, oder von den Dächern pfeifen: Passer, Passer! Und sonst so? Kein Plan.

Passer, Passer, 2022            

foto: Raub der Proserpina (Detail), Gian Lorenzo Bernini, 1621/22, Galleria Borghese, Rom, CC SA-BY 4.0, via Wikimedia Commons

Der Text bezieht sich auf ein Passer-Gedicht von Catull (Carmen 2), das man z.B. hier nachlesen kann (in einer Übersetzung von Raoul Schrott, inklusive Fragment 2b) oder hier (inklusive Gelehrtenstreit bez. der sexuellen Metaphorik). Catull hat sein Gedicht nach dem Gesetz der wachsenden Glieder gebaut; alle zehn Verse bestehen aus einem einzigen Satz, wobei jeder nachfolgende Satzteil ein wenig länger ist als der vorangegangene. Alles für den Spatz. Verbeugung.

Die Vorstellung, dass Aphrodites Wagen von Spatzen gezogen wird, geht auf Sapphos Ode an Aphrodite zurück.

2002 war der „über die Maßen unkeusche“ Haussperling Vogel des Jahres. Obwohl der Sperling (Passer domesticus) mit einer Kuckuckskind-Quote von max. 18 Prozent (Vgl. Lundy Island Studie) fast schon als treu bezeichnet werden kann (Tannenmeisen bringen es auf 70 Prozent), sind uns Spatzen (als Kulturfolger) viel vertrauter. Inzwischen sind die Bestände weltweit rückläufig.