
Wir sind schon weg!
Bevor das Blut sauer wird, sind wir beide
schon verschwunden, Hand in Hand, vorbei am freundlich
winkenden Senn, den ungerührten Künzelspitzen. Zum Glotzen der Kühe,
das Nicken zarter Alpenblumen, bis das Ach-Tal enger wird, dann sind da nur mehr Steine, Brocken, groß wie Kinderwagen. Daneben rauscht die Ach vorbei. Versuche nur, sie aufzuhalten! Also schweige besser still, geh’ weiter, so wie damals, als der Felder
(um zu werden, der er war) in die wilde Ache stürzt, samt Vieh und einer
Katz (im Sack) und keiner hilft* —
Hand in Hand tauchen beide
in das letzte Waldstück ein. So viel Pestwurz,
überall! Da und dort (zum Einschlagen) markierte Stämme,
ein besonders ferner Heller, hoch, mit Haube, halb gestaucht, als ob er
immer wieder eins aufs Dach bekommt, klingt wie Glocken, ist ein Turm, gehört
zur Kirche, wie der Friedhof. Kein (geweihtes) Dichtergrab, ein Denkmal (dort). Denk dir mal, dass dieser Felder (Dichter, Bauer, Sonderling), damals so viel besser war (zu Fuß) wie wir, dass er an einem Tag von Schoppernau nach Bregenz läuft und weiter
bis nach Lindau, um die Eisenbahn zu sehen! Er schreibt,
es wird ihm weit und frei dabei —
Hier ist man besser gut zu Fuß.
Selbst wenn wir alle Straßen sperren (inklusive Luftverkehr),
wenn wir alle Außengrenzen noch ein Stück höher ziehen und Armeen dort postieren,
die Felders sind schon weg. Bevor das Blut sauer wird, waren beide schonverschwunden, jetzt für immer, weit und frei —
(Irgendwo weint ein Kind.)
Am Felderweg, 2022
foto: Blick von Hopfreben Richtung Künzelspitzen, Bregenzerwald, 2022
Der Text bezieht sich auf den Felderweg zwischen Hopfreben und Schoppernau im Bregenzerwald, wo mehrere Gedenktafeln an den seinerzeit äußerst umstrittenen Schoppernauer Bauern, Schriftsteller und Sozialreformer F.M Felder (1839-2869) erinnern. Felders furiose Autobiografie, Aus meinem Leben, ist in der kurzen Zeit nach dem Tod seiner Frau und seinem eigenen Tod entstanden. Anna Katharina Felder starb im August ’68, Franz Michael im April ’69. Zurück blieben damals fünf Kinder.
* und keiner hilft… am Ende hat aber doch einer geholfen, nämlich Johann Wolfgang Oberhauser, während andere Schoppernauer den (beinahe) Ertrinkenden absichtlich übersahen.

Wir sind schon weg!
Bevor das Blut sauer wird, sind wir beide schon
verschwunden, Hand in Hand, vorbei am freundlich winkenden
Senn, den ungerührten Künzelspitzen. Zum Glotzen der Kühe, das Nicken
zarter Alpenblumen, bis das Ach-Tal enger wird, dann sind da nur mehr Steine, Brocken, groß wie Kinderwagen. Daneben rauscht die Ach vorbei. Versuche nur, sie aufzuhalten! Also schweige besser still, geh’ weiter, so wie damals, als der Felder (um zu werden, der er war) in die wilde Ache stürzt, samt Vieh
und einer Katz (im Sack) und keiner hilft* —
Hand in Hand tauchen beide
in das letzte Waldstück ein. So viel Pestwurz,
überall! Da und dort (zum Einschlagen) markierte Stämme,
ein besonders ferner Heller, hoch, mit Haube, halb gestaucht, als ob
er immer wieder eins aufs Dach bekommt, klingt wie Glocken, ist ein Turm, gehört zur Kirche, wie der Friedhof. Kein (geweihtes) Dichtergrab, ein Denkmal (dort). Denk dir mal, dass dieser Felder (Dichter, Bauer, Sonderling), damals so viel besser war (zu Fuß) wie wir, dass er an einem Tag von Schoppernau nach
Bregenz läuft und weiter bis nach Lindau, um die Eisenbahn zu sehen!
Er schreibt, es wird ihm weit und frei dabei —
Hier ist man besser gut zu Fuß.
Selbst wenn wir alle Straßen sperren (inklusive
Luftverkehr), wenn wir alle Außengrenzen noch ein Stück
höher ziehen und Armeen dort postieren, die Felders sind schon weg.
Bevor das Blut sauer wird, waren beide schon verschwunden,
jetzt für immer, weit und frei —
(Irgendwo weint ein Kind.)
Am Felderweg, 2022
foto: Blick von Hopfreben Richtung Künzelspitzen, Bregenzerwald, 2022
Der Text bezieht sich auf den Felderweg zwischen Hopfreben und Schoppernau im Bregenzerwald, wo mehrere Gedenktafeln an den seinerzeit äußerst umstrittenen Schoppernauer Bauern, Schriftsteller und Sozialreformer F.M Felder (1839-2869) erinnern. Felders furiose Autobiografie, Aus meinem Leben, ist in der kurzen Zeit nach dem Tod seiner Frau und seinem eigenen Tod entstanden. Anna Katharina Felder starb im August ’68, Franz Michael im April ’69. Zurück blieben damals fünf Kinder.
* und keiner hilft… am Ende hat aber doch einer geholfen, nämlich Johann Wolfgang Oberhauser, während andere Schoppernauer den (beinahe) Ertrinkenden absichtlich übersahen.

Wir sind schon weg! Bevor das Blut sauer wird, sind wir beide schon verschwunden, Hand in Hand, vorbei am freundlich winkenden Senn, den ungerührten Künzelspitzen. Zum Glotzen der Kühe, das Nicken zarter Alpenblumen, bis das Ach-Tal enger wird, dann sind da nur mehr Steine, Brocken, groß wie Kinderwagen. Daneben rauscht die Ach vorbei. Versuche nur, sie aufzuhalten! Also schweige besser still, geh’ weiter, so wie damals, als der Felder (um zu werden, der er war) in die wilde Ache stürzt, samt Vieh und einer Katz (im Sack) und keiner hilft* —
Hand in Hand tauchen beide in das letzte Waldstück ein. So viel Pestwurz, überall! Da und dort (zum Einschlagen) markierte Stämme, ein besonders ferner Heller, hoch, mit Haube, halb gestaucht, als ob er immer wieder eins aufs Dach bekommt, klingt wie Glocken, ist ein Turm, gehört
zur Kirche, wie der Friedhof. Kein (geweihtes) Dichtergrab, ein Denkmal (dort). Denk dir mal, dass dieser Felder (Dichter, Bauer, Sonderling), damals so viel besser war (zu Fuß) wie wir, dass er an einem Tag von Schoppernau nach Bregenz läuft und weiter bis nach Lindau, um die Eisenbahn zu sehen! Er schreibt, es wird ihm weit und frei dabei —
Hier ist man besser gut zu Fuß.
Selbst wenn wir alle Straßen sperren (inklusive Luftverkehr),
wenn wir alle Außengrenzen noch ein Stück höher ziehen und Armeen dort postieren, die Felders sind schon weg. Bevor das Blut sauer wird, waren beide schon verschwunden, jetzt für immer, weit und frei —
(Irgendwo weint ein Kind.)
Am Felderweg, 2022
foto: Blick von Hopfreben Richtung Künzelspitzen, Bregenzerwald, 2022
Der Text bezieht sich auf den Felderweg zwischen Hopfreben und Schoppernau im (Vorarlberger) Bregenzerwald, wo mehrere Gedenktafeln an den seinerzeit äußerst umstrittenen Schoppernauer Bauern, Schriftsteller und Sozialreformer F.M Felder (1839-2869) erinnern. Felders furiose Autobiografie, Aus meinem Leben, ist in der kurzen Zeit nach dem Tod seiner Frau, und seinem eigenen Tod entstanden. Anna Katharina Felder starb im August ’68, Franz Michael im April ’69. Zurück blieben damals fünf Kinder.
* und keiner hilft… am Ende hat aber doch einer geholfen, nämlich Johann Wolfgang Oberhauser, während andere Schoppernauer den (beinahe) Ertrinkenden absichtlich übersahen.