Manchmal eine Meeresbrise

Charles Conrad Jr. walking on the Moon, 14. Nov 1969, Apollo 12, from the NASA Image Gallery

Manchmal eine Meeresbrise,
manchmal Salzgeschmack im Mund (zwischen See und Alpenrhein),
als ob der Mond uns irre macht (im Binnenland),
             nur ein paar Atemzüge lang —

 

Der zerbeulte Mond dort oben

macht natürlich, was er kann. Es ist mitten in der Nacht
(es muss ein Traum gewesen sein), als ich auf dem Mond erwache. Zu meinen
Füßen schreit der Staub im Angesicht der Schwärze und kein Stäubchen fliegt davon, klammert sich ans Mondgestein. Nichts trennt uns mehr vom Sturz ins Bodenlose. Erde, Erde, unter Atmosphären heimatlich geborgen,
auch wenn es Feuer regnet oder Glas! Jeder Krater wird dort erstversorgt, mit heisser Asche zugedeckt, in giftiger Sole (wenn’s sein muss) gebadet, bis neues Leben möglich ist. Ich hab’s gesehen. Die Wundränder sind überwallt mit Pflanzen. Mittendrin steht ein Städtchen. Der Weg zur höchsten Kirchturmspitze, wo man die beste Aussicht hat, führt über eine Wendeltreppe.
Darin ein Glitzern wie Milliarden Sterne, aber das,
erklärt der Türmer, sind
nur Diamanten, die unter Druck
entstanden und zerborsten sind,
             in weniger als
einem Augenblick (des Zorns) — ?


Der Schock sitzt tief, aber
die Erde lebt und hebt und
senkt sich in
unendlich langen Atem
zügen. Jeder spürt, wenn sie erwacht,
vom Alpstein bis zum Hohentwiel, vom Kaiserstuhl zum Katzenbuckel, bis hinauf
zur Eifel. Die Alpen machen Druck, der Rheingraben zerdehnt sich und Europa bricht entzwei. Der Rhein wird Meer. Der Mond sieht, blass geworden, zu. Ich weiß,
wie sehr er an uns zerrt, dabei wie irre an sich hält. Wir kennen uns

seit Jahrmillionen. Manchmal Salzgeschmack im Mund,
            
manchmal eine Meeresbrise —

Manchmal eine Meeresbrise, 2022

foto: Kurz nach Mondaufgang, Blick Richtung Pfänder (Bregenz), eigenes Bild 2022

Mit dem Städtchen im Krater ist Nördlingen im Nördlinger Ries gemeint.

Charles Conrad Jr. walking on the Moon, 14. Nov 1969, Apollo 12, from the NASA Image Gallery

Manchmal eine Meeresbrise,
manchmal Salzgeschmack im Mund (zwischen See
und Alpenrhein), als ob der Mond uns irre macht (im Binnenland),
             nur ein paar Atemzüge lang —

 

Der zerbeulte Mond dort oben

macht natürlich, was er kann. Es ist mitten in der Nacht
(es muss ein Traum gewesen sein), als ich auf dem Mond erwache.
Zu meinen Füßen schreit der Staub im Angesicht der Schwärze und kein Stäubchen fliegt davon, klammert sich ans Mondgestein. Nichts trennt uns mehr vom Sturz ins Bodenlose. Erde, Erde, unter Atmosphären heimatlich geborgen,
auch wenn es Feuer regnet oder Glas! Jeder Krater wird dort erstversorgt, mit heisser Asche zugedeckt, in giftiger Sole (wenn’s sein muss) gebadet, bis neues Leben möglich ist. Ich hab’s gesehen. Die Wundränder sind überwallt mit Pflanzen. Mittendrin steht ein Städtchen. Der Weg zur höchsten Kirchturmspitze, wo man die beste Aussicht hat, führt über eine Wendeltreppe. Darin ein Glitzern wie Milliarden Sterne, aber das, erklärt der Türmer, sind nur Diamanten,
die unter Druck
entstanden und zerborsten sind, in weniger
             als einem
Augenblick (des Zorns) — ?


Der Schock sitzt tief, aber
die Erde lebt und hebt und
senkt sich in
unendlich langen Atem
zügen. Jeder spürt, wenn sie erwacht,
vom Alpstein bis zum Hohentwiel, vom Kaiserstuhl zum Katzenbuckel, bis hinauf zur Eifel. Die Alpen machen Druck, der Rheingraben zerdehnt sich und Europa bricht entzwei. Der Rhein wird Meer. Der Mond sieht, blass geworden, zu. Ich weiß, wie sehr er an uns zerrt, dabei wie irre an sich hält. Wir kennen uns

seit Jahrmillionen. Manchmal Salzgeschmack im Mund,
            
manchmal eine Meeresbrise —

Manchmal eine Meeresbrise, 2022

foto: Kurz nach Mondaufgang, Blick Richtung Pfänder (Bregenz), eigenes Bild 2022

Mit dem Städtchen im Krater ist Nördlingen im Nördlinger Ries gemeint.

Charles Conrad Jr. walking on the Moon, 14. Nov 1969, Apollo 12, from the NASA Image Gallery

Manchmal eine Meeresbrise,
manchmal Salzgeschmack im Mund (zwischen See und Alpenrhein), als ob der Mond uns irre macht (im Binnenland), nur ein paar Atemzüge lang —

Der zerbeulte Mond dort oben macht natürlich, was er kann. Es ist mitten in der Nacht (es muss ein Traum gewesen sein), als ich auf dem Mond erwache. Zu meinen Füßen schreit der Staub im Angesicht der Schwärze und kein Stäubchen fliegt davon (klammert sich ans Mondgestein). Nichts trennt uns mehr vom Sturz ins Bodenlose. Erde, Erde, unter Atmosphären heimatlich geborgen, auch wenn es Feuer regnet oder Glas! Jeder Krater wird dort erstversorgt, mit heisser Asche zugedeckt, in giftiger Sole (wenn’s sein muss) gebadet, bis neues Leben möglich ist. Ich hab’s gesehen. Die Wundränder sind überwallt mit Pflanzen. Mittendrin steht ein Städtchen. Der Weg zur höchsten Kirchturmspitze, wo man die beste Aussicht hat, führt über eine Wendeltreppe. Darin ein Glitzern wie Milliarden Sterne, aber das, erklärt der Türmer, sind nur Diamanten, die unter Druck entstanden und zerborsten sind, in weniger als einem Augenblick (des Zorns) — ?


Der Schock sitzt tief, aber die Erde lebt und hebt und
senkt sich in
unendlich langen Atem
zügen. Jeder spürt, wenn sie erwacht,
vom Alpstein bis zum Hohentwiel, vom Kaiserstuhl zum Katzenbuckel, bis hinauf zur Eifel. Die Alpen machen Druck, der Rheingraben zerdehnt sich und Europa bricht entzwei. Der Rhein wird Meer. Der Mond sieht, blass geworden, zu. Ich weiß, wie sehr er an uns zerrt, dabei wie irre an sich hält. Wir kennen uns
seit Jahrmillionen. Manchmal Salzgeschmack im Mund, manchmal eine Meeresbrise —

Manchmal eine Meeresbrise, 2022

foto: Kurz nach Mondaufgang, Blick Richtung Pfänder (Bregenz), eigenes Bild 2022

Mit dem Städtchen im Krater ist Nördlingen im Nördlinger Ries gemeint.