Es staubt, als ob

Es staubt, als ob sich
eine Wand
zersetzt, bevor sie noch
bezwungen wird. Eine schafft es vor der Zeit.
Eine fällt als reife Frucht in keine ausgestreckte Hand.
Dort drüben
hängt sie in den Seilen. Ihr Zopf, ein Strang aus Keratin,
schwingt wie ein Pendel
langsam aus. Eine traut sich ohne Kopftuch. Gold
für alle. Nein, so läuft das aber nicht. Hier wird gezollt, der Respekt der freien Welt,
als ob man hier der Freiheit überhaupt nichts schuldete. Wie war das gleich? Sich im Überhang verankern (Zehen, Fersen, Finger
spitzen), dann der Sprung zum nächsten Griff? Luft wird hörbar eingesogen, ausgestossen wie ein Sturm. Nimmt er fort,
was uns trennt? Spüren wir denn keine
Muskeln, sich so weit wie möglich strecken? Schmecken wir kein Salz, kein Blut und keine Wut, vor dieser Wand
derselben Welt,
mit so viel Ach und Weh und Glück und
                   Endorphinen, Schwestern

Elnaz Rekabi und der iranischen Frauenbewegung gewidmet, 2020/22                                            

foto: climbing girl (close-up) by helivideo, via istockphoto.com

Manchmal lohnt sich der Blick zurück (ins eigene Textarchiv), auch wenn wenig übrig bleibt. Es staubt, als ob geht auf den Blogbeitrag Meine Schwestern (2020) zurück.

Es staubt, als ob sich
eine Wand
zersetzt, bevor sie noch
bezwungen wird. Eine schafft es vor der Zeit. Eine
fällt 
als reife Frucht in keine ausgestreckte Hand. Dort drüben
hängt sie
in den Seilen. Ihr Zopf, ein Strang aus Keratin, schwingt wie
ein Pendel
langsam aus. Eine traut sich ohne Kopftuch. Gold für alle. Nein,
so läuft das aber nicht. Hier wird gezollt, der Respekt der freien Welt, als ob
man hier der Freiheit überhaupt nichts schuldete. Wie war das gleich? Sich im Überhang  verankern (Zehen, Fersen, Fingerspitzen), dann der Sprung zum nächsten Griff? Luft wird hörbar eingesogen, ausgestossen wie ein Sturm.
Nimmt er fort, was uns trennt? Spüren wir denn keine Muskeln, sich
so
weit wie möglich strecken? Schmecken wir kein Salz, kein Blut und
keine
Wut, vor dieser Wand derselben Welt, mit so viel
Weh und Ach und Glück und Endorphinen,
             Schwestern —

Elnaz Rekabi und der iranischen Frauenbewegung gewidmet, 2020/22                                            

foto: climbing girl (close-up) by helivideo, via istockphoto.com

Manchmal lohnt sich der Blick zurück (ins eigene Textarchiv), auch wenn dabei wenig übrig bleibt. Es staubt, als ob auf den Blogbeitrag Meine Schwestern (2020) zurück.

Es staubt, als ob sich eine Wand zersetzt, bevor sie noch bezwungen wird. Eine schafft es vor der Zeit. Eine fällt wie eine reife Frucht in keine ausgestreckte Hand. Dort drüben hängt sie in den Seilen. Ihr Zopf, ein Strang aus Keratin, schwingt wie ein Pendel langsam aus. Eine traut sich ohne Kopftuch. Gold für alle. Nein, so läuft das aber nicht. Hier wird gezollt, der Respekt der freien Welt, als ob man hier der Freiheit überhaupt nichts schuldete. Wie war das gleich? Sich im Überhang verankern (Zehen, Fersen, Fingerspitzen), dann der Sprung zum nächsten Griff? Luft wird hörbar eingesogen, ausgestossen wie ein Sturm. Nimmt er fort, was uns trennt? Spüren wir denn keine Muskeln, sich so weit wie möglich strecken? Schmecken wir kein Salz, kein Blut und keine Wut, vor dieser Wand derselben Welt, mit so viel Ach und Weh und Glück und Endorphinen, Schwestern —

Elnaz Rekabi und der iranischen Frauenbewegung gewidmet, 2020/22                                            

foto: climbing girl (close-up) by helivideo, via istockphoto.com

Manchmal lohnt sich der Blick zurück (ins eigene Textarchiv), auch wenn wenig übrig bleibt. Es staubt, als ob geht auf den Blogbeitrag Meine Schwestern (2020) zurück.