
Es war einmal… Gebrumm.
Aus Zeilenzwischenräumen grollt es, trollt sich
einer, wie ein Bär. Ist er ein Mensch? Wenn ja, ein sichtlich
Schmutziger. Zieh ihn aus! (den dreckverschmierten Rock). Der Regen
soll ihn sauber waschen. Zieht er sich aus (bis auf die Haut), wird er nicht frieren?
Nein. Trägt er doch Pelz unterm Pelz, der wärmt ihm seine Nieren. Auf der Brust, zwei Dutzend Schafe. Ah, die Sonne kommt, der Bärenmensch wälzt sich (vergnügt) ins Kräuterbett. Wir singen ihm ein Wiegenlied, bis er eingeschlafen ist: Öpper wott dur’s thäli gah/Öpper öpper chüsse/Gaht das öpper öppis a/Bruucht das öpper z’wüsse? Schnell, die Kleider! (die aus Bären wieder Menschen machen) Unmöglich! Aber unbedingt notwendig, um sich wieder einzufinden, in das, was man Gesellschaft
nennt, statt in das Angesicht von Steinen in/uralten Meeresbecken
abzutauchen/weil sie uns angeblich rufen —
Hier sind wir also angelandet.
Zwischen Buchstaben (haha!), irgendwo am
Rand der Welt, eine Handvoll Urzeitkrebse im Jagdgebiet
von Riesenhaien. Ihre Rücken, schneebedeckt, und rundherum kein Meer
(nicht mehr). Wir folgen einer Bären-Spur (bis nach Solothurn). Wir suchen eine Sammlung (von Versteinerungen), jedenfalls den Teil, der ihm nicht gestohlen wurde. Hätte sich ein Bär (wie er) von diesem Schlag erholt? Wie wären wir davon gekommen?
Im Museum, alle Mütter dieser Stadt, knietief im Geschrei der Kinder, eine Bärin und ihr Junges (ausgestopft). Beider Schnauzen, kahl gestreichelt; Krallen, stumpf (der Kinder wegen). Ich frage mich, ob diese zwei Museumsbären wirklich mal zusammen
waren. Oder alles nur gefaked? Arrangiert vom Präparator, der
eins und eins zusammenzählt, als ob die beiden
Bären einmal eins gewesen wären —
Zuletzt der Schock im ersten
Stock, ein Aquarium, knochentrocken. Unheimlich
glatt poliert, der Knochen eines Sauriers, benannt nach Amanz Gressly.
Unberührbar, hinter Glas, sein Bild. Ein Blatt aus seinem Feldbuch, kein Gedicht,
ein geologisches Profil. Ach ja, die Muschel (Gresslya concentrica), verschlossen wie sonst was. Was soll ich dazu sagen? Muscheln, von Anfang an mit einem fremden Schmerz geimpft, verborgen hinter Regenbögen, den Gezeiten verfallen, warten auf die Flut. Wie lange noch? Ach, Kind, die Zeit vergeht so schnell, der Mond wird immer wieder voller und aus einmal eins wird zwei und manchmal mehr.
Bären, Mama? Sicher, Schatz, Kuschelbären…
Einmal eins (Amanz Gressly gewidmet), 2023
foto: Braunbär (Ursus arctos), Damian Kuzdak, via istockphoto.com
*Öpper wott dur’s thäli gah/öpper öpper chüsse/Ghat das öpper öppis a/Bruucht das öpper z’wüsse? (= jemand will durchs Tal (gehn)/um jemanden zu küssen/geht das irgendjemand’ an?/Braucht das jemand wissen?) Aus: “Coming Thro’ the Rye” von Robert Burns in der Mundart-Übersetzung von August Corrodi (Vgl. Malcolm Pender, “To see oursels as others see us”. Der Schotte Robert Burns aus der Sicht des Schweizers August Corrodi, figurationen Nr. 01/10)
Der Text bezieht sich auf den Schweizer Paläontologen und Geologen Amanz Gressly
(1814 – 1865), der die Lebens- und Ablagerungsbedingungen urzeitlicher Lebensformen als prägende Faktoren der Gesteinsbildung erkannt und dafür den Begriff der Fazies (= Angesicht des Gesteins) geprägt hat. Diebstahl und Kränkung, die hier im Text angedeutet sind, gründen auf Gresslys Verhältnis zum berühmtesten Geologen seiner Zeit, Louis Agassiz, der einen Teil der Gressly-Sammlung (unter ungeklärten Umständen) nach Amerika “mitgenommen” hat, während Gressly (als sein langjähriger Assistent) praktisch mittel- und arbeitslos zurückbleibt. Als erster seiner Zunft beginnt er sich mit geologischen Gutachten über Wasser zu halten, deren Zuverlässigkeit in Fachkreisen sofort für Aufsehen sorgt. (Vgl. Chr. Walkmeister, Amanz Gressly, der Jura-Geologe, sein Charakter, seine Wirksamkeit, aus: Bericht über die Thätigkeiten der Naturwissenschaftlichen der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, 19. Jh., E-Periodica der ETH Zürich).
Gresslys Feldbücher mit geologischen Profilen, Skizzen, Notizen und Gedichten (siehe kleines Bild oben) wurden inzwischen digitalisiert und stehen allen Interessierten zur freien Verfügung. Danke, Silvan Thüring! Go Gressly, go!!!

Es war einmal… Gebrumm.
Aus Zeilenzwischenräumen grollt es,
trollt sich einer, wie ein Bär. Ist er ein Mensch? Wenn ja,
ein sichtlich Schmutziger. Zieh ihn aus! (den dreckverschmierten
Rock). Der Regen soll ihn sauber waschen. Zieht er sich aus (bis auf die
Haut), wird er nicht frieren? Nein. Trägt er doch Pelz unterm Pelz, der wärmt ihm seine Nieren. Auf der Brust, zwei Dutzend Schafe. Ah, jetzt kommt die Sonne kommt, der Bärenmensch wälzt sich (vergnügt) ins Kräuterbett. Wir singen ihm ein Wiegenlied, bis er eingeschlafen ist: Öpper wott dur’s thäli gah/Öpper öpper chüsse/Gaht das öpper öppis a/Bruucht das öpper z’wüsse?*
Schnell, die Kleider! (die aus Bären wieder Menschen machen) Unmöglich? Aber unbedingt notwendig, um sich wieder einzufinden, in das, was
man Gesellschaft nennt, statt in das Angesicht von Steinen
in/uralten Meeresbecken abzutauchen, weil sie
uns (angeblich) rufen —Hier sind wir also angelandet.
Zwischen Buchstaben (haha!), irgendwo am
Rand der Welt; eine Handvoll Urzeitkrebse im Jagdgebiet
von Riesenhaien. Ihre Rücken, schneebedeckt, und rundherum, kein
Meer (nicht mehr). Wir folgen einer Bären-Spur (bis nach Solothurn). Wir suchen eine Sammlung (von Versteinerungen), jedenfalls den Teil, der ihm nicht gestohlen wurde. Hätte sich ein Bär (wie er) jemals von diesem Schlag erholt? Wie wären wir davon gekommen? Im Museum, alle Mütter dieser Stadt, knietief im Geschrei der Kinder; wie die Bärin und ihr Junges (ausgestopft). Beider Schnauzen, kahl gestreichelt; Krallen stumpf (der Kinder wegen).
Oder alles nur gefaked? Arrangiert vom Präparator, der eins und eins zusammenzählt, als ob die beiden Bären wirklicheinmal eins gewesen wären —
Zuletzt der Schock im ersten Stock,
ein Aquarium, knochentrocken; Unheimlich glatt
poliert, der Knochen eines Sauriers, benannt nach Amanz Gressly.
Unberührbar, hinter Glas, sein Bild. Ein loses Blatt aus seinem Feldbuch,
kein Gedicht, ein geologisches Profil. Ach ja, die Muschel Gresslya concentrica,
verschlossen wie sonst was. Was soll ich dazu sagen? Muscheln, von Anfang an mit einem fremden Schmerz geimpft, verborgen hinter Regenbögen, den Gezeiten verfallen, warten auf die Flut. Wie lange noch? Ach, Kind, die Zeit vergeht so schnell, der Mond wird (immer wieder) voller und aus
einmal eins wird zwei und manchmal mehr. Bären, Mama?
Sicher, Schatz, Kuschelbären…
Einmal eins (Amanz Gressly gewidmet), 2023
foto: Braunbär (Ursus arctos), Damian Kuzdak, via istockphoto.com
*Öpper wott dur’s thäli gah/öpper öpper chüsse/Ghat das öpper öppis a/Bruucht das öpper z’wüsse? (= jemand will durchs Tal (gehn)/um jemanden zu küssen/geht das irgendjemand’ an?/Braucht das jemand wissen?) Aus: Coming through the rye von Robert Burns in der Mundart-Übersetzung von August Corrodi (Vgl. Malcolm Pender, “To see oursels as others see us” Der Schotte Robert Burns aus der Sicht des Schweizers August Corrodi, in: figurationen Nr. 01/10)
Der Text bezieht sich auf den Schweizer Paläontologen und Geologen Amanz Gressly (1814 – 1865), der die Lebens- und Ablagerungsbedingungen urzeitlicher Lebensformen als prägende Faktoren der Gesteinsbildung erkannt und dafür den Begriff der Fazies (= Angesicht des Gesteins) geprägt hat. Diebstahl und Kränkung, die hier im Text angedeutet sind, gründen auf Gresslys Verhältnis zum berühmtesten Geologen seiner Zeit, Louis Agassiz, der einen Teil der Gressly-Sammlung (unter ungeklärten Umständen) nach Amerika “mitgenommen” hat, während Gressly (als sein langjähriger Assistent) praktisch mittel- und arbeitslos zurückbleibt. Als erster seiner Zunft beginnt er sich mit geologischen Gutachten über Wasser zu halten, deren Zuverlässigkeit in Fachkreisen sofort für Aufsehen sorgen. (Quelle: Chr. Walkmeister, Amanz Gressly, der Jura-Geologe, sein Charakter, seine Wirksamkeit, aus: Bericht über die Thätigkeiten der Naturwissenschaftlichen der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, 19. Jh., E-Periodica der ETH Zürich).
Gresslys Feldbücher mit geologischen Profilen, Skizzen, Notizen und Gedichten wurden inzwischen digitalisiert und stehen allen Interessierten zur freien Verfügung. Danke, Silvan Thüring! Go Gressly, go!!!

Es war einmal… Gebrumm.
Aus Zeilenzwischenräumen grollt es, trollt sich einer, wie ein Bär. Ist er ein Mensch? Wenn ja, ein sichtlich Schmutziger. Zieh ihn aus! (den dreckverschmierten Rock) Der Regen soll ihn sauber waschen. Zieht er sich aus (bis auf die Haut), wird er nicht frieren? Nein, trägt er doch Pelz unterm Pelz, der wärmt ihm seine Nieren! Auf der Brust, zwei Dutzend Schafe. Ah, jetzt kommt die Sonne, der Bärenmensch wälzt sich (vergnügt) ins Kräuterbett. Wir singen ihm ein Wiegenlied, bis er eingeschlafen ist, Öpper wott dur’s thäli gah/Öpper öpper chüsse/Gaht das öpper öppis a/Bruucht das öpper z’wüsse?* Schnell, die Kleider! (die aus Bären wieder Menschen machen) Unmöglich? Aber unbedingt notwendig, um sich wieder einzufinden, in das, was man Gesellschaft nennt, statt in das Angesicht von Steinen in/uralten Meeresbecken abzutauchen, weil sie angeblich nach uns rufen —
Hier sind wir also angelandet.
Zwischen Buchstaben (haha!), irgendwo am Rand der Welt; eine Handvoll Urzeitkrebse im
Jagdgebiet von Riesenhaien. Ihre Rücken, schneebedeckt, und rundherum kein Meer (nicht mehr). Wir folgen einer Bären-Spur (bis nach Solothurn). Wir suchen eine Sammlung (von Versteinerungen), jedenfalls den Teil, der ihm nicht gestohlen wurde. Hätte sich ein Bär (wie er) jemals von diesem Schlag erholt? Wie wären wir davon gekommen? Im Museum, alle Mütter dieser Stadt, knietief im Geschrei der Kinder, eine Bärin und ihr Junges (ausgestopft). Beider Schnauzen, kahl gestreichelt; Krallen stumpf (der Kinder wegen). Ich frage mich, ob diese zwei Museumsbären wirklich mal zusammen waren. Oder alles nur gefaked? Arrangiert vom Präparator, der eins und eins zusammenzählt, als ob die beiden Bären wirklich einmal eins gewesen wären —Zuletzt der Schock im ersten Stock, ein Aquarium, knochentrocken. Unheimlich glatt poliert, der Knochen eines Sauriers, benannt nach Amanz Gressly. Unberührbar, hinter Glas, sein Bild. Ein loses Blatt aus seinem Feldbuch, kein Gedicht, ein geologisches Profil. Ach ja, die Muschel (Gresslya concentrica), verschlossen wie sonst was. Was soll ich dazu sagen? Muscheln, von Anfang an mit einem fremden Schmerz geimpft, verborgen hinter Regenbögen, den Gezeiten verfallen, warten auf die Flut. Wie lange noch? Ach, Kind, die Zeit vergeht so schnell, der Mond wird (immer wieder) voller und aus einmal eins wird zwei und manchmal mehr. Bären, Mama?
Sicher, Schatz, Kuschelbären…
Einmal eins (Amanz Gressly gewidmet), 2023
foto: Braunbär (Ursus arctos), Damian Kuzdak, via istockphoto.com
*Öpper wott dur’s thäli gah/öpper öpper chüsse/Ghat das öpper öppis a/Bruucht das öpper z’wüsse? (= jemand will durchs Tal (gehn)/um jemanden zu küssen/geht das irgendjemand’ an?/Braucht das jemand wissen?) Aus: “Coming Through the Rye” von Robert Burns in der Mundart-Übersetzung von August Corrodi (Vgl. Malcolm Pender, “To see oursels as others see us”, Der Schotte Robert Burns aus der Sicht des Schweizers August Corrodi, in: figurationen Nr. 01/10)
Der Text bezieht sich auf den Schweizer Paläontologen und Geologen Amanz Gressly (1814 – 1865), der die Lebens- und Ablagerungsbedingungen urzeitlicher Lebensformen als prägende Faktoren der Gesteinsbildung erkannt und dafür den Begriff der Fazies (= Angesicht des Gesteins) geprägt hat. Diebstahl und Kränkung, die hier im Text angedeutet sind, gründen auf Gresslys Verhältnis zum berühmtesten Geologen seiner Zeit, Louis Agassiz, der einen Teil der Gressly-Sammlung (unter ungeklärten Umständen) nach Amerika “mitgenommen” hat, während Gressly (als sein langjähriger Assistent) praktisch mittel- und arbeitslos zurückbleibt. Als erster seiner Zunft beginnt er sich mit geologischen Gutachten über Wasser zu halten, deren Zuverlässigkeit in Fachkreisen sofort für Aufsehen sorgen. (Vgl. Chr. Walkmeister, Amanz Gressly, der Jura-Geologe, sein Charakter, seine Wirksamkeit, aus: Bericht über die Thätigkeiten der Naturwissenschaftlichen der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, 19. Jh., E-Periodica
der ETH Zürich).
Gresslys Feldbücher mit geologischen Profilen, Skizzen, Notizen und Gedichten (siehe kleines Bild oben) wurden inzwischen digitalisiert und stehen allen Interessierten zur freien Verfügung. Danke, Silvan Thüring! Go Gressly, go!!!