“Das nachstehende Gedicht schrieb ich im diesjährigen Monat Januar zu Paris, und die freie Luft des Ortes wehte in manche Strophe weit schärfer hinein, als mir eigentlich lieb war. Ich unterließ nicht, schon gleich zu mildern und auszuscheiden, was mit dem deutschen Klima unverträglich schien (…) Einigen nackten Gedanken habe ich im hastigen Unmut ihre Feigenblätter wieder abgerissen, und zimperlich spröde Ohren habe ich vielleicht verletzt…”
(Heinrich Heine, Vorwort zum Wintermärchen, 1843/44)
Doch sprich, wie kam der Gedanke dir/Zu reisen nach dem Norden/In solcher Jahreszeit? Das Wetter ist/Schon winterlich geworden!//Oh, meine Göttin! erwiderte ich/Es schlafen tief im Grunde/des Menschenherzens Gedanken, die oft/Erwachen zur unrechten Stunde.
(Heinrich Heine, Deutschland. Ein Wintermärchen, 1843/44)
Ein schwarzer Hund
klemmt seinen/Schwanz, ein zweiter
trägt die Rute hoch und zieht den Halter (an der Leine)
durch ein Minenfeld von Düften: Gib zu, es macht dich irre. Hänge
deinen Blick an Tauben, finde eine, die sich balzend um die andre dreht (der
alte Tanz, die/Rituale); Sie beruhigen ungemein, wie Regen zuhause (viel später); die/Ströme von Menschen am Hauptbahnhof München, Oktoberfestzeit. Also bitte,
einmal quer durch Deutschland! Dabei waren wir gewarnt. Die deutsche Bahn sei nicht mehr das, was sie mal war. Hast du’s geglaubt? Blind vertraut? Den Deutschen? Mit der Leichtigkeit von Elfen/ganze Völker und noch mehr vernichtend; Nicht, dass
wir nicht dasselbe tun. Nur nicht so/effizient? Geschenkt! Wer braucht schon/Prügelknaben? Gibt’s denn keine Russen hier?
Verdammtes Zuggeschwätz —
Erste Klasse, Fensterplatz.
Für die Vernetzung mit der Welt, W-LAN,
als könnten wir sie nicht begreifen. Ich sehe, grade/
Fichtenforste, wohlerzogenen Hopfen und hilfreichen Wein (bei
Würzburg), ja diese ganze geordnete Welt. Wir halten an. Ein Bahnsteig,
rührend. Weil dort am Abstellgleis (im Schotterbett) ein Bäumchen wächst? Ein/
flüchtiger Gedanke, sich schlängelnd wie ein Fluss (vor Fulda), halb verborgen hinter
Auwald. Ein Signal, auf Rot gestellt. Wir halten an. Wegen einer Stellwerksstörung? Weil Menschen auf den Gleisen sind? Was wird aus unsren Anschlusszügen? Höre links, höre rechts; Schlingerkurs? Oder auf/Schiene? Viele/wechseln den Waggon. Uns bleibt nur
der Speisewagen. Im Nachtzug schlafen Menschen dort; unter/genau denselben
Tischen, wo jetzt Bier getrunken wird. Es fließt und fließt, während
der Zug schon wieder steht —
Schuld ist der Krieg,
er macht uns arm; sagt ein Fahrgast mit
der/Bitterkeit von Hopfen; Lauter! Hamburg Hauptbahnhof;
der sechste Bettler spricht mich an (bin/alle Münzen schon beim ersten
losgeworden) und muss ständig an ihn denken. Sanftes Rütteln, ein Hinüber-
dämmern; in der Nase der Geruch von Füßen/Fürze im Gesicht und im Gedicht und
tiefer noch hinein ins Leben: in Waggons, so vollgestopft mit Menschen (schlafend)
noch viel kleiner wie gewöhnlich in sich kauernd oder wehrlos hingestreckt. Augen zu, Münder offen, Speichelspuren. Spüre die Verbundenheit, wenn wir uns morgens wiedersehen. Uns Sand und Träume aus den/Augen reiben; (schutzlos)
die/Gesichter und einander/ausgeliefert: wir alle hier, wir alle hier,
unendlich langsam erwachend —
Ein schwarzer Hund (Wir alle hier), 2023
Foto: Sonnenuntergang am Bahnhof, by Christianchen, via istockphoto.com
“Das nachstehende Gedicht schrieb ich im diesjährigen Monat Januar zu Paris, und die freie Luft des Ortes wehte in manche Strophe weit schärfer hinein, als mir eigentlich lieb war. Ich unterließ nicht, schon gleich zu mildern und auszuscheiden, was mit dem deutschen Klima unverträglich schien (…) Einigen nackten Gedanken habe ich im hastigen Unmut ihre Feigenblätter wieder abgerissen, und zimperlich spröde Ohren habe ich vielleicht verletzt…”
(Heinrich Heine, Vorwort zum Wintermärchen, 1843/44)
Doch sprich, wie kam der Gedanke dir/Zu reisen nach dem Norden/In solcher Jahreszeit? Das Wetter ist/Schon winterlich geworden//Oh, meine Göttin! erwiderte ich/Es schlafen tief im Grunde/des Menschenherzens Gedanken,
die oft/Erwachen zur unrechten Stunde.
(Heinrich Heine, Deutschland. Ein Wintermärchen, 1844)
Ein schwarzer Hund
klemmt seinen/Schwanz, ein zweiter
trägt die Rute hoch und zieht den Halter (an der Leine)
durch ein Minenfeld von Düften: Gib zu, es macht dich irre. Hänge
deinen Blick an Tauben, finde eine, die sich balzend um die andre dreht;
(der alte Tanz, die/Rituale); sie beruhigen ungemein, wie Regen zuhause (viel später); die/Ströme von Menschen am Hauptbahnhof München, Oktoberfestzeit, die/Kopfhörer auf. Also bitte, einmal quer durch Deutschland! Dabei waren wir gewarnt. Die deutsche Bahn sei nicht mehr das, was sie mal war. Hast du’s geglaubt? Blind vertraut? Den Deutschen? (mit der Leichtigkeit von Elfen
ganze/Völker vernichtend) Nicht, dass wir nicht dasselbe tun. Nur nicht
so/effizient? Geschenkt! Wer braucht schon/Prügelknaben!
Gibt’s denn keine Russen hier? Verdammtes
Zuggeschwätz —
Erste Klasse, Fensterplatz.
Für die Vernetzung mit der Welt, W-LAN,
als könnten wir sie nicht begreifen. Ich sehe, grade/
Fichtenforste, wohlerzogenen Hopfen und hilfreichen Wein (bei
Würzburg), ja diese ganze geordnete Welt. Wir halten an. Ein Bahnsteig,
rührend. Weil dort am Abstellgleis (im Schotterbett) ein Bäumchen wächst?
Ein flüchtiger Gedanke, sich schlängelnd wie ein Fluss (vor Fulda), halb ver-
borgen hinter Auwald. Ein Signal, auf Rot gestellt. Wir halten an. Wegen einer Stellwerksstörung? Weil Menschen auf den Gleisen sind? Was wird aus unsren Anschlusszügen? Höre links, höre rechts; Schlingerkurs oder auf/Schiene?
Viele wechseln den Waggon. Uns bleibt nur der Speisewagen. Im Nachtzug schlafen Menschen dort; unter/genau denselben Tischen, wo jetzt
Bier getrunken wird. Es fließt und fließt, während
der Zug schon wieder steht —
Schuld ist der Krieg,
er macht uns arm, sagt ein Fahrgast mit der
Bitterkeit von Hopfen. Lauter! Hamburg Hauptbahnhof;
Der sechste Bettler spricht mich an (bin/meine Münzen schon beim
ersten losgeworden) und muss ständig an ihn denken. Sanftes Rütteln,
ein Hinübergleiten; in der Nase der Geruch von Füßen; Fürze ins Gesicht
und ins Gedicht und tiefer noch hinein ins/Leben: in Waggons, so vollgestopft
mit Menschen (schlafend) noch viel kleiner wie gewöhnlich in sich kauernd
oder wehrlos hingestreckt. Augen zu, Münder offen, Speichelspuren. Spüre
die Verbundenheit, wenn wir uns morgens wiedersehen. Uns Sand und
Träume aus den/Augen reiben; (schutzlos) die Gesichter und
einander/ausgeliefert: wir alle hier, wir alle hier,
unendlich langsam erwachend —
Ein schwarzer Hund (Wir alle hier), 2023
Foto: Sonnenuntergang am Bahnhof, by Christianchen, via istockphoto.com
“Das nachstehende Gedicht schrieb ich im diesjährigen Monat Januar zu Paris, und die freie Luft des Ortes wehte in manche Strophe weit schärfer hinein, als mir eigentlich lieb war. Ich unterließ nicht, schon gleich zu mildern und auszuscheiden, was mit dem deutschen Klima unverträglich schien (…) Einigen nackten Gedanken habe ich im hastigen Unmut ihre Feigenblätter wieder abgerissen, und zimperlich spröde Ohren habe ich vielleicht verletzt…” (Heinrich Heine, Vorwort zum Wintermärchen, 1843/44)
Doch sprich, wie kam der Gedanke dir/Zu reisen nach dem Norden/In solcher Jahreszeit? Das Wetter ist/Schon winterlich geworden!//
Oh, meine Göttin! erwiderte ich/Es schlafen tief im Grunde/des Menschenherzens Gedanken, die oft/Erwachen zur unrechten Stunde. (Heinrich Heine,
Deutschland. Ein Wintermärchen, 1844)
Ein schwarzer Hund klemmt seinen/Schwanz, ein zweiter trägt die Rute hoch und zieht den Halter (an der Leine) durch ein Minenfeld von Düften: Gib zu, es macht dich irre. Hänge deinen Blick an Tauben, finde eine, die sich balzend um die andre dreht (der alte Tanz, die Rituale); Sie beruhigen ungemein, so wie Regen zuhause (viel später); die/Ströme von Menschen am Hauptbahnhof München, Oktoberfestzeit. Also bitte, einmal quer durch Deutschland. Dabei waren wir gewarnt. Die deutsche Bahn sei nicht mehr das, was sie mal war. Hast du’s geglaubt? Blind vertraut? Den Deutschen? Mit der
Leichtigkeit von Elfen/ganze Völker und noch mehr vernichtend. Nicht, dass wir nicht dasselbe tun; nur nicht so/effizient? Geschenkt! Wer braucht schon/Prügelknaben! Gibt’s denn keine Russen hier? Verdammtes Zuggeschwätz —
Erste Klasse, Fensterplatz.
Für die Vernetzung mit der Welt, W-LAN, als könnten wir sie nicht begreifen. Ich sehe: grade/
Fichtenforste, wohlerzogenen Hopfen und hilfreichen Wein (bei
Würzburg), diese ganze geordnete Welt. Wir halten an. Ein Bahnsteig, rührend. Weil am Abstellgleis (im Schotterbett) ein Bäumchen wächst? Ein/flüchtiger Gedanke, sich schlängelnd wie ein Fluss (vor Fulda), halb verborgen hinter Auwald. Ein Signal, auf Rot gestellt. Wir halten an. Wegen einer Stellwerksstörung? Weil Menschen auf den Gleisen sind? Was wird aus unsren Anschlusszügen? Höre links, höre rechts; Schlingerkurs Oder auf/Schiene? Viele wechseln den Waggon. Uns/bleibt nur der Speisewagen. Im Nachtzug schlafen Menschen dort; unter/genau denselben Tischen, wo jetzt Bier getrunken wird. Es fließt und fließt, während der Zug schon wieder steht —
Schuld ist der Krieg,
er macht uns arm, sagt ein Fahrgast mit der Bitterkeit von Hopfen; Lauter! Hamburg Hauptbahnhof. Der sechste Bettler spricht mich an (bin/meine Münzen schon beim ersten losgeworden) und muss ständig an ihn denken. Sanftes Rütteln, ein Hinüberdämmern, in der Nase der Geruch von Füßen; Fürze im Gesicht und im Gedicht und tiefer noch hinein ins/Leben: in Waggons, so vollgestopft mit Menschen, (schlafend) noch viel kleiner wie gewöhnlich in sich kauernd oder wehrlos hingestreckt. Augen zu, Münder offen, Speichelspuren.
Spüre die Verbundenheit, wenn wir uns morgens wiedersehen. Uns Sand und Träume aus den/Augen reiben, (schutzlos) die Gesichter und einander/ausgeliefert: Wir alle hier, wir alle hier, unendlich langsam erwachend —
Ein schwarzer Hund (Wir alle hier), 2023
Foto: Sonnenuntergang am Bahnhof, by Christianchen, via istockphoto.com