
Unter einem Knochendach,
meterdick bedeckt mit Staub, den Wind dorthin verfrachtet hat,
was heute Kuh- und Wachtberg heißt, die Donau überschaut wie damals,
haben sie ihr Grab entdeckt: zwei winzige Skelette, hockend,
ans Licht und ins Labor gebracht.
Kieferknochen aufgebrochen,
Milchzahnleisten freigelegt, anhand vom Zahnschmelz festgestellt,
dass beide noch am Leben sind, als sie die Mutter mit Gewalt hinaus
ins Leben presst, dass eigentlich ein Sterben war und Warten,
still mit Ocker zugedeckt –
Dreiundfünfzig Tage lang, mit nichts als
leeren Schneckenhäusern und dem Zahn einer Fähe – warten-bis der Bruder kommt, der in unstillbarer Sehnsucht an der Brust der Mutter hängt
und mit der Hand, der winzig kleinen, seine Zeit am Strang festhält: aus Elfenbein
geschnitzte Tränen, dreißigtausend Jahre alt.
Unerhörte Zweisamkeit, 2020
foto: Royal British Columbia Museum, via Wikimedia Commons
*2005 wurde am Kremser Wachtberg ein paläolithisches Doppelgrab mit Säuglingen freigelegt, die später als eineiige Zwillinge identifiziert werden konnten, die im Abstand weniger Wochen nach der Geburt gestorben waren. Als Grabbeigaben wurden u.a. dreiundfünfzig Perlen aus Mammut-Elfenbein gefunden.

Unter einem Knochendach,
meterdick bedeckt mit Staub, den Wind dorthin verfrachtet hat,
was heute Kuh- und Wachtberg heißt, die Donau überschaut wie damals
haben sie ihr Grab entdeckt: zwei winzige Skelette, hockend,
ans Licht und ins Labor gebracht.
Kieferknochen aufgebrochen,
Milchzahnleisten freigelegt, anhand vom Zahnschmelzfestgestellt, dass beide noch am Leben sind, als sie die Mutter mit Gewalt hinaus ins Leben presst, dass eigentlich ein Sterben war und Warten,
still mit Ocker zugedeckt –
Dreiundfünfzig Tage lang, mit nichts als
leeren Schneckenhäusern und dem Zahn einer Fähe – warten bis der Bruder kommt, der in unstillbarer Sehnsucht an der Brust der Mutter
hängt und mit der Hand, der winzig kleinen, seine Zeit am Strang festhält:
aus Elfenbein geschnitzte Tränen, dreißigtausend Jahre alt.
Unerhörte Zweisamkeit, 2020 foto: Royal British Columbia Museum, via Wikimedia Commons
*2005 wurde am Kremser Wachtberg ein paläolithisches Doppelgrab mit Säuglingen
freigelegt, die später als eineiige Zwillinge identifiziert werden konnten. Sie waren im Abstand weniger Wochen nach der Geburt gestorben waren. Als Grabbeigaben wurden u.a. dreiundfünzig Perlen aus Mammut-Elfenbein gefunden.

Unter einem Knochendach, meterdick bedeckt mit Staub, den Wind dorthin verfrachtet hat, was heute Kuh- und Wachtberg heißt, die Donau überschaut wie damals, haben sie ihr Grab entdeckt: zwei winzige Skelette, hockend, ans Licht und ins Labor gebracht.
Kieferknochen aufgebrochen, Milchzahnleisten freigelegt, anhand vom Zahnschmelz festgestellt, dass beide noch am Leben sind, als sie die Muttermit Gewalt hinaus ins Leben presst, dass eigentlich ein Sterben war und warten, still mit Ocker zugedeckt –
Dreiundfünfzig Tage lang,
mit nichts als leeren Schneckenhäusern und dem Zahn einer Fähe, warten, bis der Bruder kommt, der in unstillbarer Sehnsucht an der Brust der Mutter hängt und mit der Hand, der winzig kleinen, seine Zeit am Strang festhält: aus Elfenbeingeschnitzte Tränen,
dreißigtausend Jahre alt.
Unerhörte Zweisamkeit, 2020
foto: Royal British Columbia Museum, via Wikimedia Commons
*2005 wurde am Kremser Wachtberg ein paläolithisches Doppelgrab mit Säuglingen freigelegt, die als eieiige Zwillinge identifiziert werden konnten, die im Abstand weniger Wochen nach der Geburt gestorben waren. Als Grabbeigaben wurden u.a. dreiundfünfzig Perlen aus
Mammut-Elfenbein gefunden.